Warnung

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Foto: privat

Ich wartete auf die Lieferung meiner ersten eigenen Waschmaschine und geriet plötzlich in Krise: ich befürchtete, den Gipfel der Spießigkeit erreicht zu haben.

Ich hatte so hohe Ideale, suchte ein alternatives Leben außerhalb der Konsumgesellschaft, bemühte mich um ein ökologisches Verhalten, einfach und bescheiden, ich hatte einen sozialen Beruf gewählt…

Ich wollte den Kauf der Waschmaschine schon wieder rückgängig machen, denn sie schien nicht zu meinem Lebensstil zu passen.

Da wurde mir bewusst, dass auch hohe Ideale oder die beste Gesellschaftskritik ein einfaches „Gut-Mensch-Image“ werden können, ein oberflächlicher Anstrich, „Schall und Rauch“, wenn nicht die Liebe in „Tat und Wahrheit“ dahinter steckt. Es sind nicht immer die großen Entscheidungen, die etwas im Leben verändern, sondern manchmal die ganz kleinen, geheimen, inneren…

WARNUNG

1.
Ich hab heut Abend ‘ne Entdeckung gemacht,
ist fast zu simpel um sie euch zu erzählen,
doch mich hat sie beinah umgebracht:
es war ‘ne Wende von hundertachtzig Grad.
Ihr könnt mir glauben, wenn ihr wollt, könnt diskutieren,
wenn ihr’s gebrauchen könnt, so könnt ihr’s vielleicht nachvollzieh‘n.

2.
Ich war der Meinung, ich hätte das Leben gefressen,
und hab bestimmt nicht nur im Lehnstuhl gesessen
Habe mir auch ‘nen sozialen Job gewählt,
hab Dreck und Leid geseh‘n und hab’s auch angepackt.
Ich fühlte mich so an der Basis, war engagiert,
war nie am grünen Tisch, hab‘ niemals Theorien geführt.

3.
Meine Wohnung ist in einem Arbeiterrevier.
Ich dachte, das genügt, um Bourgeoisie zu meiden.
Die Möbel drinn‘ sind second hand und primitiv,
man sollte merken, dass ich Reichtum echt nicht leide.
Und ich war stolz auf diese Lösung, gab oft an damit,
ich wollte Spießertum vermeiden, doch wurde selber fett.

4.
Vor allem fand ich mich progressiv,
genoss die Janis Joplin und Pink Floyd.
Habe nie anderes als Levis-Jeans getragen,
mein Mann ist einer mit Bart und langen Haaren.
Ich dachte fast, ich wär in allem schon ein Revolutionär,
ich dachte fast, viel fehlte mir nun auch nicht mehr:

5.
Ich warne euch, man ist schnell e-tabliert,
viel schneller als man denkt und viel gemeiner!
Man hat ‘ne gute Meinung, äußert viel Kritik,
man meint man hätte den großen Überblick,
doch so im Tiefsten, so im Innern, wenn du ehrlich bist,
dann ist’s nichts weiter als ‘ne große Selbstgefälligkeit.

6.
Ich hab heut angefangen anders zu leben,
nicht äußerlich, denn das hat nichts zu sagen,
ich hab bloß angefangen mich zu fragen,
wie viel in meinem Leben echt und wahr ist:
ob meine Liebe wirklich „Liebe“ ist,
ob es nicht nur schöne Worte sind,
oder nicht nur ein Image ist,
ob sie konkret bis ins Letzte ist,
ob sie stärker als das Negative ist,
ob sie stärker als der Tod ist!

7.
Ich hab heut angefangen anders zu leben,
nicht äußerlich, denn das hat nichts zu sagen,
ich hab bloß angefangen mich zu fragen,
wie viel in meinem Leben echt und wahr ist.

Text und Musik Gery De Stefano 1977, veröffentlicht auf der CD “Schlüssel in der Hand”, Arrangement Olaf Dung.


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