Wovon ich träume

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Die aktuellen kriegerischen Eskalationen in Europa, Nahost und überhaupt in der ganzen Welt beschäftigen mich sehr, bedrücken mich und wühlen mich auf. Wie ich schon zum Lied “Hoffnung” geschrieben habe, bin ich groß geworden mit den Erzählungen meiner Mutter und ihrer Familie – später auch durch meine geriatrischen Patienten – , was “Krieg, Flucht, Vertreibung” bedeutet und mit den Menschen macht.

Irgendwann in den 80ern war ich mit unseren Kindern zu Hause in Bonn in der Küche und höre dabei Radio. Die Sendung wurde durch eine Warnmeldung von der Polizei unterbrochen: Ein US-amerikanisches Militärflugzeug, ein Starfighter, hatte während eines Übungsfluges im Raum Koblenz – Eifel – Bonn seine Übungsbombe, eine Pershingrakete, verloren, zwar ohne den möglichen atomaren Sprengkopf, aber immerhin… Die Bevölkerung in diesem Bereich wurde nun gebeten danach Ausschau zu halten und gegebenenfalls Polizei oder Feuerwehr zu informieren …

Im ersten Moment habe ich laut gelacht. Dann habe ich das folgende Lied geschrieben.

WOVON ICH TRÄUME

Wollt ihr wissen, wovon ich träume,
wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung aufräume?
Ich träum’ nicht vom Regen- bogen, fernen Ländern, gold’nen Sternen,
nicht davon ein Star zu sein, nicht von Ferien in den Bergen,
nicht mehr, schon lang nicht mehr,
nicht mehr, nicht] mehr!

Ich hör das Radio. Da die undenkbare Warnung:
es fliegt so ‘ne Rakete auf unsre Stadt zu, ohne Erbarmen!
Man zählt ihre Wirkung in Megatonnen, die Opfer in Millionen.
War es ein Versehen? Wurde sie gezündet in aggressiver Laune?
Wer fragt jetzt schon! Wer fragt jetzt schon!
Wer fragt schon? Wer schon?

Ich schnapp’mir die Kinder: wir müssen hier raus!
Wir müssen schnell zur Straßenbahn oder sonst wie aus dieser Stadt heraus!
Der Kleine braucht frische Windeln, der Große stellt sich quer,
und überhaupt, es ist doch sinnlos, ich vergaß, die Straßenbahn fährt jetzt nicht mehr!
Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wohin?

Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, la

Ich seh uns dann im Keller sitzen, still und starr im Magen schwach,
die Kinder heulen: gleich kommt der Knall, Ängste werden in mir wach,
Bilder steigen hoch in mir, das Fernseh’n zeigte viele Dokumentationen:
Japan ’45, so viele Kriege, wie konnte man sich nur daran gewöhnen!
Jetzt ist’s zu spät, es ist zu spät, es ist alles zu spät, zu spät!

Ich fühl’ mich so allein, so allein, so verraten, so verkauft,
wir kommen nie mehr raus hier, wer rettet jetzt noch seine Haut?
Wer hat bloß ein Interesse an diesem Spektakel, wer hat es inszeniert?
Wer füllt sich damit seine Kassen, erntet Macht oder Ruhm oder Sympathie?
Wir nicht, wir hier unten sicher nicht,
wir nicht, wir nicht!
Lalalala, …

Nennt mich jetzt nicht “Spinner” oder “Terrorist” oder “pessimistischer Träumer”,
es ist doch alles halb so schlimm, ich sänge ja völlig absurde Reime!
Doch ich liebe das Leben, und ich kann den Gedanken nicht mehr ertragen,
es könnte jemand mit der Möglichkeit spielen, es eines Tages in die Luft zu jagen.
Hört auf! Hört endlich auf! Hört doch auf! Hört auf!

Wollt ihr wissen, wovon ich träume,
wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung aufräume?
Ja, ich liebe das Leben, und ich will die Hoffnung noch nicht begraben,
wir könnten es lernen, uns endlich zu vertragen!
Endlich mal, endlich mal,
einmal, endlich mal, einmal!
Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt!
Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt! ………

Text und Musik: Gery De Stefano 1982
CD “Schlüssel in der Hand” 2022


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